Dienstag, 3. Juni 2008

Meine letzte Fahrt - von Friedhof zu Friedhof - und zurück

Meine letzte Fahrt
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Samstag, 31. Mai 2008 auf dem Historischen Autofriedhof Kaufdorf, anlässlich der Nationalen Kunstausstellung.

Ich werde von der Performancekünstlerin Simone Zaugg eingeladen, mich in einen Sarg zu legen und eine Probefahrt vorzunehmen (Bilder).

Voller Vorfreude stecke ich noch meinen letzten vollen Akku in die Filmkamera, schau mich nochmals um und begebe mich zum Fahrzeug, einem alten Opel, ganz in Schwarz. Etwas umständlich lege ich mich selber in den weissen, berüschten Sarg. Die Kamera findet auf meinem Bauch, unter gefalteten Händen, seine Ruhestellung. Während sie zu laufen beginnt, stelle ich mich selber ab. Nur noch verschwommen sehe ich meine Frau und Heinrich Gartentor durch ein Fenster. Passanten zücken Fotoapparate, machen eine letzte Aufnahme vom Blogger, der ich binwar.

Plötzlich erklingt Musik. Links und Rechts stehen die abschiednehmenden Erdbewohner. Einige sind mir bekannt, die meisten jedoch nicht. Die einen lachend, die anderen mit ernster Miene, nachdenklich.

Der Deckel wird mit einem Knall geschlossen, der Deckel des Fahrzeuges. Weit weg höre ich Simones Stimme - ist alles klar? - mir entrutscht ein "ja" und los geht es. Das letzte was ich sehe, ist meine Frau. Lachend. Dann kommt Heinrich und zeigt ihr ein letztes Foto.

Bin ich nun in einem Gefängnis oder sehe ich einfach Streifen, die sich nicht zuordnen lassen. Die Musik spielt dazu. Ich bin auf der Fahrt gen Süden, vielleicht schon tief unten in Sizilien. Ich weiss es nicht.

Da war doch der Weg, den ich erst noch zu Fuss gegangen bin, am Morgen. Jetzt zeigen meine Beine in die Zielrichtung, doch ich entferne mich immer mehr von dieser. Da steht ein DJ. Habe ich mich nicht mit ihm unterhalten? Die Gedanken verschwimmen. Er öffnet die Schranke, die letzte. Die Fahrt wird schneller und schneller und schneller. Die Landschaft zieht vorbei. Bäume rufen mir jetzt zu: du liegst in uns. Wir stehen da, für dich! Und meine Fahrt erreicht die Kirche.

Unerwartet wendet Simone den Wagen. Ich will sie fragen: Wohin des Weges. Meine Augen fallen aber zu. Meine Kamera beginnt zu fliegen, dreht sich, richtet sich dem Ziel zu.

Stimmen. Wo bin ich frage ich mich nicht. Ich bin einfach. Die Klappe öffnet sich. Langsam zieht sich die Musik zurück. Blicke treffen mich, auch fragende. Regungslos liege ich da. Ist er hinüber, fragt jemand. Nein, antwortet Simone. Er hat erst noch gefilmt. Doch Zweifel kommen auf. Gegenseitige. Heinrich ist nicht da. Meine Frau auch nicht. Ich höre und erkenne nur fremde Gesichter. Sie wollen, dass ich zu ihnen komme. Doch will ich das wirklich? Eigentlich nein. Augen zu und durch.

Simone wendet sich von mir ab, spricht mit einem BeSchauer über die Landschaft. Sie zeigt mit ihrer Hand, ihrem Arm in eine ganz andere Richtung.

Spiel mir das Lied vom Tod. Ich spiele es und werde niemandem sagen, wie es wirklich war. Da drüben. Von Hier und von Zurück. Nur Simone Zaugg könnte für mich vielleicht ein wenig sprechen.
Doch sie ist wieder unterwegs, zusammen mit ihrer Familie. An eine neue Wirkensstätte. In einem ganz anderen Fahrzeug. In einem anderen Land.

Ich winke dir zu und bedanke mich für den gemeinsamen Weg.

 

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