Dienstag, 19. April 2011

Rahel Grunder: 10. Tag - Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom

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Heute hätte ich fast zwei Touristinnen und ein Polizeiauto erschlagen. Mit einer Plakatstellwand aus Edelstahl und Beton. Auf einem Harassenrolli verfrachtete ich sie vom Schwanen- zum Falkenplatz und kam mir unheimlich stark vor.
Die zahlreichen Asiaten, die für mich alle sehr gleich aussahen und beunruhigend nahe an mich heran traten mit ihren Fotoapparaten fanden meine malerischen Fähigkeiten nicht so stark und sahen in mir eine Touristenattraktion. Anders als an der Kunsti in Luzern, wo Malerei frei vermittelt wird, herrscht in China eine sehr strikte klassische Malausbildung. Ich fühlte mich ein wenig unwohl, wie so oft wenn ich fotografiert werde und stellte mir vor mein grauer Plastik auf dem ich stand sei eine Insel mitten im Meer. Die Strömung von Menschen zog an mir vorbei und ab und an blieb ein Blick an mir hangen, bevor er sich losriss und weiter schwamm.

Ruedi vom Berneroberland besuchte mich spontan und wir gerieten in eine total spannende Diskussion über die Überproduktion von Lebensmittel, Gleichstellung von Frau und Mann, Politik und über Werbung.
„Warum verkaufen sich Äpfel, die einen „Hick“ haben weniger gut, als einwandfreie?“
„Warum lassen sich so viele Frauen für billige Werbungen in Unterwäsche fotografieren? Merken sie nicht, dass sie somit das Bild der Frau in unserer Gesellschaft abwerten?“
„Warum haben so viele Menschen Pollenallergie?“
„Warum sind Parteien wie Schnittlauch?“ – „Beide sind innen hohl!“
Ruedi kommt ursprünglich aus der Chemieindustrie, kennt Christoph Blocher persönlich und erklärte mir, dass Leute mit Heuschnupfen ihre Allergie abschwächen können in dem sie übers Winterhalbjahr täglich einen Teelöffel einheimischen Blütenhonig essen und sich der Körper dadurch bereits an die Pollen gewöhnt.
Er verriet mir auch wo man in der Schweiz am besten Wildkatzen beobachtet. Dies würde er jedoch nicht allen erzählen, ich sei da eine Ausnahme.
Schliesslich sei ich ja eine, die nicht mit der Masse gehe und das gefalle ihm.
„Das Problem unserer Gesellschaft ist, dass wir nicht mehr selbständig denken!“, sagte Ruedi zu mir. „Und deine Arbeit gibt einen Denkanstoss. Das finde ich gut.“
Doch auch Ruedi schwamm weiter und liess mich Gedanken versunken auf meiner Insel zurück.

Nach einem zähne Einstieg ins Malen kam ich langsam in den gewohnten Fluss und plötzlich machten mir die vielen beobachtenden Kaffeetrinker vor dem Heini nichts mehr aus. Mein treuer Begleiter Roger Levy tauchte auf und gesellte sich zu mir. Auch Frau K vom KKL, Fräulein L von der Kunsthochschule und Herr M, der ehemalige Videostudent erfreuten mich mit ihrem Besuch.
Der Falkenplatz war sonnenüberflutet und ich malte mit Gegenlicht. Heute war ein Sprung ins kalte Wasser. Ich bin eine Exotin unter Eingefleischten. Ich und die Telefonkabine neben mir. Die einzigen ruhigen Elemente und etwas aus der Mode gekommen.
Dafür freute es mich umso mehr, als ein älterer Herr zu mir kam und sagte: „Endlich mal etwas realistisches. Direkt gemalt und nicht nur ausgedruckt!“
Bin ich realistischer? – Es braucht unheimlich viel Energie gegen den Strom zu schwimmen.


Es geht weiter:
Dienstag, 19. April 10 - 16 Uhr Bushaltestelle Kantonalbank Luzern
Alles zu Rahel Grunder im kulturtv.ch –> hier

1 Kommentar:

  1. ...ja es kostet Energie gegen den Strom zu schwimmen...aber die Hauptsache ist :man schwimmt
    Josef

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