Mittwoch, 15. September 2010

Schlatter unterwegs LXXIII: Wien schrumpft

Bruno Schlatter teilt mit (Dienstag, 14.9.2010)

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Habib Samandi jamt (diesmal am Drum)

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Lichtkunst von Brigitte Kowanz

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Mannamaschine von Thomas Feuerstein

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Drehscheibenbild von Alfons Schilling

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Werk von Christine Zurfluh

 

Erledige einen ersten Wurf des 1. Kapitels meines Buches, bin also voll in Verzug, habe aber immerhin einen Drive entwickelt, jeden Tag 1-2 mal daran zu arbeiten. Merke auch, dass ich daran noch lange zu tun haben werde… und Filme möchte ich ja auch noch schneiden.

Bin dann überwältigt vom Wiener Sekt ‚Hochriegl‘ oder sind es die vielen Geburtstagswünsche…. Sehr schönen Chinakohl-Käsesalat mit frischen Kapern, dann Reis mit gebratenem zyprischem Käse und Kürbisscheiben an Feigensenfsauce als Geburtstagsschmaus. (Anmerk. der Redaktion: Wir hoffen, du hattest nicht nur Kulinarisches um dich rum, sondern auch noch GeniesserInnen).

Am Abend ins Café Céleste, dort läuft allwöchentlich Jazzjam vom New Yorker Saxofonisten Marco Eneidi mit illustren Gästen. Obwohl Jazzer ja bekanntlich nette Menschen und sehr seriös sind, müssen wir ein ‚bisserl‘ warten, bis es losgeht, so nach einer Stunde will dann mal einer das Schlagzeug aufstellen, das wackelt aber ziemlich und muss zuerst stabilisiert werden. In der Zwischenzeit taucht –Wien wird immer kleiner, ja es schrumpft zur Kleinstadt- Habib Samandi von den ‚Maghreb Vibrations‘ (siehe, was ich am Freitag Abend machte) auf, wir begrüssen uns herzlich und er lädt mich zu Pistazien ein: Wau, habe noch ein Geburtstagsgeschenk erhalten!

Irgendwann geht es los, Habib spielt dann auch mal, es ist aber ein seltsamer Jam, weil sehr geleitet, eben von Herrn Eneidi, der bestimmt, wann wer mit wem zu spielen hat. Dadurch entstehen viele Pausen und leider wird der musikalische Fluss immer wieder umgeleitet. Kaum ist einer warm gespielt, muss er wieder abtreten. Musikalisch ein paar ausgesprochen schöne Momente, sehr zu gefallen weiss auch Christian Wichtl, den mir Habib als eigentlichen Erfinder (oder zumindest Pionier) des Improvisierens in Österreich vorgestellt hat.

Die Morgenstund macht Dave Holland rund und das letzte Gläschen Sekt findet auch durch meinen Schlund seinen wahren Grund. Holland zeigt im Quartett mit seinen ‚Extensions‘, 1989, die Weiten des Jazz: mal verspielt, mal losdonnernd, dann wieder verträumt. Sehr schön auch das Spiel vom Gitarristen Kevin Eubanks.

Nach dem ich schon das 2. Kapitel vom Buch, nämlich die ‚Deudesfelder Gespräche‘ begonnen habe, geht es irgendwann zum MuMoK, dem Museum für Moderne Kunst im Museumsquartier, habe damals bei Keith Haring nämlich gleich ein Vierer-Billet gelöst. Diesmal wollen wir mal mit einem Riesenlob für die Wiener Museen starten: ich darf fotografieren, die Ausstellung wird sehr modern aber trotzdem stilvoll präsentiert, ist sehr interessant und erst noch in einem architektonisch passenden Raum, und die Arbeiterklasse darin ist sehr freundlich! Also heute kein Schmäh, sondern ein dreifaches BRAVO!!!

Zuoberst gibt es 2 Stöcke mit Moderne im Zusammenhang mit wissenschaftlichen Entwicklungen, da wird also von Ferdinand Léger ebenso wie von Nikola Tesla geredet, da wird Sophie Taeuber- Arp gezeigt wie auch ein uralter Film, der Einsteins Relativitätstheorie erklärt, ein Flugzeugmotor macht sich auch nicht schlecht neben Duchamps. Vom Pataphysiker Alfred Jarry geht es über die Dadaisten zu den Futuristen und zu den… isten

Darunter finden wir 2 Stöcke mit der aktuellen Ausstellung der Wiener Lichtkünstlerin Brigitte Kowanz, sehr imponierend und ausdrucksstark und nebenbei bemerkt, hat sie auch die Beleuchtung am Uniqa-Tower gemacht, die mir Walti und Elizabeth schon am ersten Tag gezeigt haben ‚Now I see‘ (so heisst auch die Ausstellung, und so schliessen sich Kreise im Leben). Im unteren Saal finden sich wenige Arbeiten, dafür in einer riesigen Spiegelhalle, so dass sich alles multipliziert, zwei spannende Nischen, wo es sich lohnt hinein zu stehen und die Veränderungen bei Bewegung zu beobachten.

Zuunterst gibt es noch 2 Stöcke zur Malerei in Prozess und Expansion, da wird es sehr modern, geht um die strukturellen Veränderungen der letzten 50 Jahre, es finden sich Rauschenberg, natürlich ein kleiner Pollock, eine sehr schöne Manna-Maschine vom Österreicher Thomas Feuerstein und viele andere Werke, die Alltagsgegenstände verwerten oder einbauen. Und es hat sogar ein paar SchweizerInnen dabei: Christine Zurfluh aus Goldau, Helmut Federle aus Solothurn und speziell für Klaus Büsen würde ich den Alfons Schilling aus Basel empfehlen, der sogar auf rotierende Drehscheiben zu malen pflegte.

Ansonsten bietet das Museum Loungeplätze, ein gemütliches Restaurant und sogar eine grosszügige Bibliothek, welche allerdings extrem pünktlich um 16 Uhr schliesst.

Auf dem Heimweg entdecke ich noch Tonspur, zuerst denke ich es sei eine Tafel für ein Geschäft oder eine kleine Galerie, doch dann merke ich, dass es sich um eine Klanginstallation handelt, die Strassenbahngeräusche in die kleine Passage bringt (frage mich dann, ob es nicht ein bisschen schade ist, ausgerechnet diese Geräusche hierher zu bringen, die gibt es draussen zur Genüge). Tonspur ist übrigens ein Projekt, bei dem 4 mal jährlich die Künstler und damit die Klänge wechseln.


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Christian Wichtl (ist aber schon länger her)

Kevin Eubanks

Brigitte Kowanz

Alfons Schilling

Fotos aus dem MuMoK
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