Mitgeteilt durch Stefan Meier am 7. März 2010, inkl. aller Fotos:
Liebe Freundinnen und Freunde der langen Buchstabenreihen mit Bildunterbrechungen. Dies wird heute der letzte Report aus Karlsruhe sein. Der Zufall, bereits in einigen Hauptrollen während dieser Woche vertreten, schaute auch jetzt dazu, dass die Geschichte ein schönes, rundes Ende findet, sich in sich selber schliesst: wie ich im allerersten Bericht schon schrieb, sorgte Jeroen für gute Stimmung (und sehr nervige Ohrwürmer bis heute) mit üblen musikalischen Erinnerung aus den 1990ern, unter anderem der zurecht vergessen gegangene weisse Rapper, lange vor Eminem, Vanilla Ice mit „Ice-Ice Baby“ (ja, der hier). Ich wiederum, sitze jetzt im, Achtung Baby: ICE von Karlsruhe nach Zürich. Zufall oder Bestimmung? Wer weiss, die letzten Stunden hier in Karlsruhe waren vom Übersinnlichen durchtränkt. Also, zurück zum Anfang, gestern, Samstag der 7.3.2010:
Als ich mit dem letzten Bericht des Vortages fertig war und zurück zu unserem Stand kam, war auch schon Zeit ein Abendessen einzunehmen. Nach all der Bodenständigkeit sollte es exotisch-afrikanisch sein, aus Eritrea, also das Restaurant Kilimandscharo an der Karlsstrasse.
Wir gehen rein, und es heimatelt sehr, zumindest die Stühle.
Ein Blick an die Wand, und wir sehen Instrumente im aktuellen Christian Herter-Design,
ich erinnere kurz an seinen Würfeliraum bei FGS, erwähnt in meinem Bericht 4 from the booth (hier) . Ja, so sitzt man da also, und denkt mehr oder weniger laut über Kubisten-Rockbands nach, bis die von uns bestellten Vorspeisen aufgetragen werden.
Hallo?! Dies wäre der Moment gewesen, um den Braten zu riechen, eindeutige Pentagrammanordnung der Tomaten, der Salat war übel, sorry: schlechte Fertigsauce. Aber wir sind ja nicht nachtragend, ein, zwei nette Worte
und wir sind wieder versöhnt, erteilen dem Restaurant gute Noten.
Aber dann gingen die Probleme erst los, unahnend ging ich aufs Klo um klein
– hmm, zum dritten mal im Rahmen dieser Berichte Klofotos aus Karlsruhe, ich bin selber erstaunt, aber es ist halt ein Teil der Realität – ich erledigte dann mein Geschäft auf der Toilette, da ich dieses Rätsel nicht lösen konnte. Aber die wirklichen Fragen im Leben lassen sich nicht umgehen
– ich stand da und besinnte mich. Zum Glück meldete sich der Geist von Marcel Duchamp und flüsterte mir ein: „Es gibt keine Lösung, weil es kein Problem gibt“, ich beherzte seinen Rat, wusch meine Hände trotzdem, und zurück an meinen Platz. Ganz erledigt war die Sache trotzdem nicht, und ich erzählte den beiden von der mir fremden Toiletteninnendekoration. René – seines Sternzeichens Krebs – meldete an, dass dies wohl der Wasserreinigung diene. Ihm wurde früher erzählt, dass wenn man ins Wasser pinkle, dann ist nach sieben Steinen das Wasser wieder gereinigt. Ich aber, Stier, sehr wahrscheinlich sogar im Aszendenten (ich habe es nie überprüft, sowenig gebe ich dem Sternfühlerkram Bedeutung) glaube ihm kein Wort. Falls es so wäre, würde ja jede Kläranlage auf eine Verschwörung zwischen Kommunalverwaltung und Betonindustrie hinweisen, man könnte ja einfach 7 Steine ins Abwasserrohr legen, und dann zurück in See damit. Ist doch wahr.
Da hält man sich doch besser an den Realitäten der Kunst fest. Wir begabe uns auf den Rückweg, ich möchte kurz mal wieder an Christian Herter erinnern, von welchem wir vor einem Jahr ein Werk aus der Reihe „alles will in den Boden“ an der UND gezeigt haben, und welches gerade jetzt wieder in Karlsruhe im Rahmen seiner Ausstellung bei FGS (hier) gezeigt wird.
Ja, was sieht man da im Stadtraum? Innerhalb von einem Jahr und mittels der auratischen Ausstrahlung wurde die Jugend bekehrt: weg von konservativen Verhaltensmuster welche in absolut obsoleten Denkweisen fussen, hin zur kritischen Auslotung des Möglichen.
Das ist die Kraft von Kunst!
Mit soviel positiven Schwingungen angereichert, schafften wir es auch, mal richtig viele Leute zu unserer Präsentation hin zu ziehen – wie sie auf dem Foto sehen, konnte auch unsere Pink-Wand einige Nachahmerinnen erzeugen.
Was wir zu dem Moment noch nicht wussten, ist, dass sie alle einem geheimen Kreis angehören, welche rund um Jeroen Geels Wurmwerkstatt später eine Séance abhielten.
Aber auch die best besuchtesten Abende – oder vor allem die – gehen einmal zu Ende, wir nahmen noch einen Schlummi, nämlich das beste Bier Südwestdeutschlands Rothaus Tannezäpfle
(neben dem Geschmack dieses überzeugende Argument - Zitat - spiegel online: „ 225 Menschen arbeiten derzeit in Rothaus, oft in der zweiten oder dritten Generation. Die Brauerei ist in der Region ein beliebter Arbeitgeber, regelmäßig zahlt das Unternehmen 14 Monatsgehälter, je nach Ertragslage waren es manchmal sogar 15.“ {hier}), und gingen heim. Das war’s, kein Subtext, kaum was zu berichten, einzig: mit neun Stunden Schlaf mein persönlicher Jahresrekord.
Nach einem kräftigenden Frühstück beim Bäcker standen wir heute Sonntag aber auch wieder um 11 Uhr am Stand. Respektive Jeroen sass vor dem Computer und skypte nach Stockholm, um sein privat initiiertes Austauschprogramm, welches anlässlich der Supermarket Art Fair etabliert wurde, zu vertiefen (ja hier: Subtext),
während René äußerst widerwillig, aber mit herausragender Kompetenz seine Barschicht, fliegend zwischen davor und dahinter abverdient.
Ich besprach noch mit den Damen Kunsttaxi
mögliche Arbeitseinsätze in Luzern und dann war es auch schon Zeit zum gehen.
Einzig ein Wort möchte ich noch zu unserer Präsentation verlieren: viele Leute lobten uns und fragten sich, wie wir diese wunderbare Klarheit zustande brachten. Dazu nur ein Wort, keine Teufelsbeschwörung, kein Pendeln, einzig nur Präzision: wir haben uns gar nach der Stossfuge des Messebodens gerichtet.
Dies sieht man vielleicht nicht, aber man spürt es wohl, also die Krebse, nicht wir Stiere.
Um 14:40 Uhr war ich bereits am Bahnhof und wartete auf den oben erwähnten Zug.
Und jetzt beende meine Korrespondenz von dieser UND#5 in Karlsruhe mit einem dicken Eigenlob – aber es sind ja nicht meine eigenen Worte, einzig, ich konnte der Versuchung nicht wiederstehen.
Jeroen Geel und René Odermatt werden heute Abend die Kunstwerke abhängen und wenn unser Plan klappt, werden wir unsere neun geleisteten Barschichten gegen den Abbau unserer Wand eintauschen.
Ich sitze in Bordrestaurant des ICEs, es ist Sonntag, 7. März 2010, 17:03 Uhr, die Welt steht still, ich stehe im Bahnhof Basel – es gibt Berichte, es gibt Listen, werden wir nächstes Jahr wieder nach Karlsruhe fahren, oder sparen wir uns 2 Stunden des Weges?
Wir werden sehen.
Stefan Meier, Leiter der Produzentengalerie ALPINEUM Luzern
Der erste Bericht befindet sich hier
Der zweite Bericht befindet sich hier
Der dritte Bericht befindet sich hier
Der vierte Bericht befindet sich hier
Der fünfte Bericht befindet sich
Alle Berichte aus der Abtrünnigkeit auf einen Schlag hier
UND DANN: Lieber Stefan
Ich hoffe, die Freunde und (wo sind eigentlich die Freundinnen geblieben) verMISSten Freundinnen haben nicht zu stark gelitten, unter deiner Schreibophobie, deiner Knippsologastenie.
Jedenfalls danke ich dir für deinen mutigen Karlsruhe-Einsatz und freue mich schon, endlich etwas Erholung von dir zu haben.
In diesem Sinn, willkommen zurück, aber bleib ruhig noch etwas in Zürich. So greift meine Aussage: “Probleme müssen nicht gelöst werden, weil es gar keine gibt”.
Gruss und Kuss von Julius van Roger
Schnauz und Bart van Äberhart