Elektrischer Reporter – Urheber 2.0: Jeder Nutzer ein Pirat?
Wir sind alle Teil des Wirtschaftslebens, ob wir wollen oder nicht. Tagtäglich benutzen wir Waren, die einem gewissen Urheberrecht unterworfen sind. Keinem Menschen würde es in den Sinn kommen (ausgenommen irgend einer chinesischen Firma) eine Waschmaschine zu kopieren und dann diese zu tauschen.
Ganz anders bei digitalen Daten. Hier treten wir ein, in einen Selbstbedienungsladen namens Internet, MP3-Player usw. und bedienen uns, nutzen das Angebot. Für viele Menschen ist das selbstverständlich geworden, ohne wenn-und-aber. Heinrich Gartentor, Schweizer Künstler und Initiator der "Nationalen Kunstausstellung 2008", sagte einmal: Warum zahlt man beim Besuch eines Konzerts ohne Widerrede, nicht aber beim Download eines solchen? (Dem Sinn nach zitiert).
Irgendwie hinkt die Gesetzgebung der Entwicklung nach. Die meisten Vorschriften stammen aus Zeiten, als es die neuen Techniken noch gar nicht gab oder nicht verbreitet waren. Aufgeschreckt durch die veränderten Verhältnisse werden bestehende Regeln einfach angepasst, ohne sich Gedanken über die Veränderungen zu machen. Motto: "Was bis heute gut war, muss auch in Zukunft so sein". Diese Meinung wird auch von der produzierenden Industrie unterstützt und entsprechend lobbyiert.
Veränderte Zeiten benötigen Fantasie, viel Fantasie. Tritt diese nicht ein, wird es nicht mehr lange gehen und jede Bürgerin, jeder Bürger ist ein Verbrecher, gleichgestellt mit Mördern oder Piraten, die vor Somalia Schiffe entern. Schöne, neue verschlafene Zeit.
Die schönste Sequenz im ZDF Clip fand ich die rennenden Heerscharen von Juristen, die nach Piraten suchen. Sehr bezeichnend für das Klima in der sogenannten Entertainment- oder Content-Industrie. Es scheint gar, als würde sich diese auf ein neues Business-Modell einstellen: Piratenjagen, weil lukrativer als Lizenzieren. In einem holländischen Fall verlangte ein Inhaltevermittlungsbüro 5000 Euro Strafzahlung von einem Kommunikationsberater und Blogger, der einen Zeitungsartikel wörtlich übernommen hatte.
AntwortenLöschenDas Vermittlungsbüro verlangte vom fehlbaren Blogger eine Zahlung vom 1,5fachen des ursprünglichen Autorenhonorars -- oder sie würden in einem Gerichtsfall das 3fache einfordern.
Blogger zahlt nicht, der Fall kommt vor Gericht, mit Schadenersatz, Erstattung Prozesskosten und so fort. Am Mittwoch hat das Gericht entschieden: ja, einen Text übernehmen darf man nicht einfach so. Ja, es muss eine Entschädigung für den Gebrauch des Text bezahlt werden, in der Höhe des ursprünglichen Autorenhonorars (plus etwas Administrationskosten). Nein, Schadenersatzsummen sind nicht zu bezahlen (denn der Schaden liess sich auch nicht beziffern), und Prozesskosten sind nicht zu erstatten (denn Kläger und Angeklagter haben Fehler gemacht).
Merke: das Businessmodell Piratenjagen kann auch nicht funktionieren.
Link zum Gerichtsbeschluss: http://www.zwartekoffie.nl/wp-content/vonnis.pdf