Freitag, 1. Oktober 2010

Schlatter unterwegs LXXXVII: Von der irrealen Augartenstadt in die reale Kafkawelt Wiens

Bruno Schlatter teilt mit (Donnerstag, 30.9.2010)

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Adrian Coriolan Gaspar

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Gefechtsturm über Augarten

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Alois, der Vizebürgermeister der Augartenstadt

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Kafkas Gänge?

 

Habib lud mich heute zu einem speziellen Konzert ein. Dafür wurden wir von seiner Kollegin nach Eisenstadt chauffiert. Ich liess mich mal überraschen. Lange sassen wir im Saal und fragten uns, ob wir im richtigen Saal seien, was wir hörten war weder Roma-Musik noch eine Symphonie. Ich persönlich fühlte mich irgendwie vom Leben beschissen, da schmeiss ich mir am Morgen extra eine Jazz-CD rein, die nicht der Reihenfolge der Sammlung entspricht – und somit meinem Konzept widerspricht – nur um diesen Jammerarien zu entgehen, die mich in den letzten Tagen beschäftigten und was passiert: da sitze ich in einem klassischen Konzertsaal und höre Jammerarien!!! Aber irgendwie ist es wie mit dem Freejazz: so richtig live geht’s irgendwie, da wird es richtiggehend spannend…

Kaum sind wir da, ist schon fertig. Wie wir dann aber feststellen ist erst Pause und das, was wir eigentlich hören wollen kommt noch! Sehr gut!

Und wir werden mit einer wunderbaren Symphonie beehrt, die der erst 23-jährige Adrian Coriolan Gaspar komponiert hat. Es ist die Österreichpremiere, das Philharmonieorchester Bacau hat das Werk schon in Rumänien aufgeführt. Die Musik ist zudem Filmmusik im Werk der Mutter des Komponisten ‚Dui Roma-Zwei‘. Das Werk (wie der Film) beschäftigen sich mit der Verfolgung, Inhaftierung und Vernichtung der Roma in der Nazizeit. Der junge Komponist vertont die Erzählungen eines KZ-Überlebenden, der auch anwesend ist. So macht Orchestermusik Spass! Zwischendurch läuft es einen kalt den Rücken runter, weil die inneren Bilder die Tragödie zeigen, dann wieder gleitet man friedlich dahin. Es wird mir bewusst, wie alltäglich auf der Reise durch Deutschland und Österreich das Nazithema im Vergleich zum Schweizer Alltag ist und frage mich, ob es nicht auch ein wenig ablenkt von aktuelleren Fragestellungen.

Nach der Rückkehr zeigt sich wieder einmal, dass das Fahrrad dem Auto in der Grossstadt überlegen ist. Von der Taubstummengasse zum Café Concerto am Gürtel oben habe ich weniger lang als Habib mit Kollegin, ich habe nämlich den Keller schon inspiziert und treffe die beiden oben, wie sie gerade reinkommen: die leidige Parkplatzsuche…

Auf den Polyphonen Inseln sollen schon hohe Wetten abgeschlossen worden sein, dass Schlatter unterwegs zum Liebhaber der klassischen Lieder konvertiert. So soll er am 30.09. 2010 zum morgendlichen Arbeiten Angelika Kirchschlager angehört haben, die Lieder von Korngold bis Mahler interpretiert (der Zufall will es so: in Eisenstadt aufgenommen, allerdings im Schloss), 1996. Das Piano wird von Helmut Deutsch kompetent befingert. Schlatter soll gemäss Paparazzis geschmunzelt haben…

Um 11 Uhr treffe ich Alois im Aktionsradius, weil er aber ein Nachtmensch ist, dauert es, weshalb ich zuerst den Augarten besichtige. Nachher führe ich mit dem amtierenden Vizebürgermeister ein ausführliches Interview zur Idee der Augartenstadt und erhalte eine Stellungnahme zu dem Skandal, dass das Bürgertum in dieser Stadt verzweifelt um Anerkennung kämpfen muss. Es bestätigt sich, dass Augartenstadt auch an internationalen Verflechtungen interessiert ist.

Auf dem Rückweg atme ich Kafkas Luft, begebe mich in die vielstiegige Landschaft des Wiener Rathauses auf der Suche nach einem Zuständigen für die Republik Kugelmugel. Aber, um ehrlich zu sein, es sind alle so nett und zuvorkommend, gleich zu Beginn erfahre ich von der netten Dame am Empfang nach einer kurzen Recherche am Computer, dass eine Klage gegen Herrn Bürgermeister Häupl am Laufen ist. Sie fragt mich auch ein wenig aus und will natürlich wissen, warum man auf die Idee kommt, eine Mikronation auszurufen. Als ich von Protest, Fantasie und der Freiheit im nichtrealen Konzept auszusprechen, was im Realen eben nicht geht, rede, muss sie ein wenig schmunzeln. Sie versorgt mich mit der zuständigen Bezirksadresse und dirigiert mich in Richtung Präsidialkanzlei, wo ich – vom freundlichen Wachmann weitergeleitet – beinahe zum Sekretär von Häupl vordringe, der ist aber nicht im Haus, weshalb ich mich morgen telefonisch melden darf. Wollen wir schauen, ob die offizielle Seite gesprächiger ist, als die Kugelmugelseite, oder ob der Kafka recht hatte…

Zurück in der Wohnung die sportphysiologisch richtige Ernährung, schliesslich steige ich heute das dritte Mal für die österreichische Literatennationalmannschaft in die Hosen..

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Mehr über die Symphonie

Bürgermeister Häupl, nebst Kugelmugel auch in die Augartenspitz-Geschichte involviert

Ausschreibung Lesung, da werde ich kurzfristig interlesieren
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