Montag, 14. August 2006

Pilatus-Werke Stans: Probleme mit Lehrlingen ?


Im Zuge meiner Gänge durch mein Archiv bin ich auf ein weiteres interessantes Heft gestossen "Venceremos", das progressive Lehrlingsmagazin für die gesamte Schweiz. Natürlich kam auch dieses Produkt aus der autonomen Jugendbewegung heraus. Die vorliegende Ausgabe stammt aus dem Jahre 1971 und wurde mit den damals üblichen "Schnappsdrucker" hergestellt. Bei Durchsicht entdeckte ich einen spannenden Bericht zur Situation der Lehrlinge im Pilatus-Werk Stans (Hauptort des Kanton Nidwalden), heute noch der grösste Arbeitgeber des Kantons. Es werden die bekannten Pilatus-Porter-Flugzeuge hergestellt und steht immer wieder unter Beobachtung wegen möglicher Waffenexporte (Umbaumöglichkeiten der Privatmaschinen). Die Firma gehörte früher zum Bührle-Konzern. Damals d i e eigdenössische Waffenschmiede. Hier der ganze Text:
Die Stiften der Pilatus Flugzeugwerke in Stans haben ihre Vorgesetzten wiederholt auf die Misstände aufmerksam gemacht. Die Lehrmeister und Betriebsleitung bestätigen z.T. dass Missstände bestehen.
Bei der Zeugnisabgabe im Herbst 70 wurden z.B.. der Personalchef, der Lehrchef und der Betriebskaplan erneut auf die Ausbildungsverhältnisse aufmerksam gemacht.
Auch die drei Herren mussten gegenüber Lehrlingen zugeben, dass in den Pilatuswerken "nicht alles in Bester Ordnung sei" und versprachen die Misstände "so bald als möglich" zu beseitigen.
Das war vor einem Jahr, seither gaben immer wieder einzelne Lehrlinge ihren Missmut über die Ausbildung bei den Vorgesetzten Ausdruck. Immer wurden sie nett und "lieb" vertröstet. Bis heute ist aber noch nichts grundsätzliches geschehen.
Deshalb verlangen wir, d.h.. die Lehrlingsorganisation Luzern und die Stiften der Pilatuswerke Stans die Erfüllung folgender Förderungen

1. Die Ausbildung der Lehrlinge ist durch einen internen, genau festgelegten Ausbildungsplan zu regeln. Es muss verhindert werden, dass Lehrlinge in der Produktion eingesetzt werden und tagelang Servicearbeiten (bohren, entgraten, nagen, pressen, klinken und stanzen etc..) verrichten. Berufsfremde Arbeiten müssen ab sofort unterbunden werden.

2. Zur Kontrolle muss der Lehrmeister vermehrt seinen Lehrlingen in den verschiedenen Abteilungen nachgehen und unabhängig vom jeweiligen Vorgesetzten des Lehrlings dessen Arbeit überwachen.

3. Eine koordinierte und intensive Ausbildung bedingt einen vermehrten Einsatz durch Ausbildner. Dem bisherigen, einzigen Lehrmeister ist es nicht mehr möglich, die gewaltig anwachsenden Probleme allein zu lösen. Deshalb fordern wir einen zweiten Lehrmeister, der sich unbelastet durch andere Aufgaben ausschliesslich mit der Ausbildung der Lehrlinge befasst.

4. Es sind klare Bestimmungen über die Begriffe "Lehrarbeit" und "Produktive Arbeit" zu fassen. Lehrlinge dürfen nur soweit mit Akkordarbeiten beschäftigt werden, als diese direkt mit der Ausbildung im Zusammenhang stehen.

5. Jeder Lehrling soll eine Entschädigung erhalten, die es ihm ermöglicht, seinen Lebensunter halt selbst zu bestreiten, dass er seinen Eltern finanziell nicht mehr zur Last fällt. Der heute praktizierte Leistungslohn, bestehend aus einer äusserst fraglichen Notengebung, erfüllt diese Forderung nicht.

6. Privatarbeiten, die Lehrlinge für Betriebsangehörige ausführen, sollen gestattet sein wenn sie folgende Bedingungen erfüllen: 1. Sie stehen mit der Berufsausbildung im Zusammenhang. 2. Lehrmeister und Lehrling sind einverstanden.
Einiges wurde bis heute verbessert, anderes wartet immer noch auf die Erfüllung. Die Zeitschrift enthält weitere "konkrete Forderungen" aus anderen Städten/Lehranstalten. Das Ganze ist auch aus heutiger Sicht gar nicht so "daneben". In diesem Sinn - Fortsetzung folgt.


Tag(s): pilatus werke lehrlinge probleme historisch

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