***
„Der Kulturinfarkt“ mit Beiträgen von Dieter Haselbach, Armin Klein, Pius Knüsel und Stephan Opitz warf Wellen, bevor jemand das Buch in den Händen hatte, bevor jemand die Thesen lesen konnte.
Jedes Blatt, dass eine Redaktion in Sachen “Kultur” sein Eigen nennt, trommelte die PR – Maschine, schön brav, mit. Getreu dem Motto: Dabei sein ist alles. Schliesslich können nicht immer nur Museen und Galerien gelobt, bzw. Künstler und Werke beschrieben werden. Da muss doch noch was anderes sein, etwas nicht immer mühelos Erfassbares. Da bietet sich natürlich schon vom Titel her was an. Danke liebe Autoren, dass ihr uns vom Infarkt gerettet habt, vor der Belanglosigkeit.
Naja, jedenfalls habe ich mal da, mal da einen Auszug gelesen und musste rasch feststellen, dass die Verwalter sich treu bleiben – sie verwalten, auch ihre eigenen Meinungen.
Der Künstler Gartentor und Visarte Schweiz Zentralpräsident hat sich nun das Werk besorgt und musste dabei feststellen, dass eigentlich kein Hahn danach kräht und das hat mit Sicherheit nichts mit der Buchpreisbindung zu tun. Der Titel interessiert nur Kunst/Kulturgegner und solche die es werden wollen. Abgesehen von denen, die eh schon alles längst gesagt haben und solchen, die das Kunst- und Kultur-Wissen zum Berufsstand erhoben haben. Nicht mehrheitsfähig. Nicht Subventionswürdig.
Heute nun hat die Visarte eine “Stellungnahme zur Publikation” veröffentlicht, aus der Feder von Gartentor (hier). Dabei scheint es, als wurde er zu einer solchen gedrängt. Ich frage mich: wer drängt hier? Kulturgegner und solche die es werden wollen. Täter, die eh schon alles längst gesagt haben und solche, die das Kunst- und Kultur-Wissen zum Berufsstand erhoben haben?
Würde ich mir nicht einbilden den Gartentor zu kennen, hätte ich diesen Text übersehen, ihn als belanglos abgestempelt.
Aber eben, die Krux liegt in der Belanglosigkeit. Diese kann für die einen Bedrohung bedeuten, für die anderen ein Gespenst. Die Entscheidung kann wie immer jeder/jede für sich selber fällen. In jedem Fall. Genau! Und weitere Wege finden sich bestimmt auch noch, von unten nach oben.
Nachfolgend für Link-Müde der Originaltext:
Es war ganz schön schwierig, den „Kulturinfarkt“ zu finden. Letzten Freitag in St. Gallen, gestern in Bern und Zürich. Im Ex Libris meinten sie: Wer ist Pius Knüsel? Kulturinfarkt? Noch nie gehört. Den haben wir auch nicht in unserem Computer. Ich fand dann das Buch im Shop Ville. Das sei das letzte Exemplar, meinte die Buchhändlerin. Ich kaufte für meine Kinder auch noch „Das kleine Gespenst“ von Otfried Preußler und im Zug nach Bern begann ich zu lesen. Nun geht die Sonne auf, der Kulturinfarkt ist voller Notizen, ein schöner Frühlingstag steht an und ich gehe bald schlafen.
Als Zentralpräsident der visarte, des Berufsverbandes der visuellen Künstlerinnen und Künstler der Schweiz, wird man von den Mitgliedern gedrängt, sich vernehmen zu lassen, wenn es (scheinbar) brennt. Auch zum „Kulturinfarkt“. Das Angenehme an diesem Buch ist, man kann reinstechen, es spritzt immer. «Vor 30 Jahren war das höchste der Gefühle, an ein Stück Lachs zu kommen. Heute wird er einem aufgedrängt» – «Ein erfolgreicher Künstler schaffe kein Werk, sondern treffe coole Entscheidungen (…)» – «Wer Kultur sagt, sagt auch Verwaltung.» Pius Knüsel, Direktor der Kulturstiftung Pro Helvetia ist einer dieser Verwalter und Mitautor von „Kulturinfarkt“.
Ich hätte mich bereits seit dem 14. März vernehmen lassen sollen, noch bevor das Buch am 20. erschienen war. Ich hätte laufend Knüsels Statements und Interviews kommentieren müssen. Präsidiale Pflicht. Ich wurde gedrängt mich zu äussern, bevor ich die 288 Seiten lesen konnte. Hätte ich mit den Wölfen heulen sollen? Das wäre praktisch gewesen, Schulterklopfen garantiert. Und genau hier setzt die Kritik am „Kulturinfarkt“ ein. Ich stand tagelang im luftleeren Raum, ich konnte nicht wissen, worum es in diesem Buch im Detail ging. Die Bühne gehörte medial und politisch Knüsel und seinen Mitautoren alleine. Aufsatz im Spiegel, Statement hier, Interview da. Von Debatte keine Spur, weil Leute wie ich, welche Debatten nicht scheuen, von vornherein ausgeschlossen wurden. Das Thema wurde monopolisiert und monologisiert, das Pulver verschossen, bevor das Buch richtig gelesen und bedacht werden konnte. Wenn solches geschieht, hilft nur ignorieren. Es gibt bedenkenswerte Punkte in diesem Buch. Sie aber auch nur anzusprechen widerstrebt mir unter den gegebenen Umständen. Da erzähle ich lieber meinen Kindern „Das kleine Gespenst“, das wegen einer falsch gestellten Uhr vom Nacht- zum Taggespenst wurde und jede Menge Unheil anrichtete.
Eines will ich aber mit Bestimmtheit sagen: Es ist unanständig, dass Pius Knüsel als Direktor von ProHelvetia deutsche Verhältnisse kritisiert. Wenn Herr Knüsel den Flurschaden, den er damit angerichtet hat, alleine tragen dürfte, dann wäre das der Boden, um hier in der Schweiz doch noch über Kulturpolitik, Kulturstaat und Kultursubventionen zu debattieren. Dann auch gerne mit mir.
Gute Nacht.
Heinrich Gartentor, Zentralpräsident visarte
Dienstag, 27. März 2012
***
Foto: “nebulöse infarkte” – Gedanken von Roger Levy im Tageslauf
Kamera: Polaroid SX-70 Land Camera Alpha
Film: The Impossible Project – PX100 (Testfilm 11/11)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen