Dienstag, 20. März 2012

Pfyn - Kulturhauptstadt der Schweiz: Demokratische Kunst? (1. Teil)

Demokratische Kunstwochen - was ist denn das? Was muss ich mir darunter vorstellen?

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Ana Laura Lopez de la Torre aus London und ihre Aktion am 1. August 2011:
auf der Suche nach Botschaftern von Pfyn und Tulse Hill

Diese Frage wird uns immer wieder gestellt und wir wollen diesen Eintrag nutzen um ein paar Überlegungen dazu vorzustellen.
Demokratie und Kunst scheinen erst einmal absolut unvereinbar: Demokratie ist auf Mehrheiten ausgerichtet und Kunst in erster Linie elitär und im Moment ihres Schaffens meistens nicht mehrheitsfähig – warum also Demokratische Kunst? Und dann auch noch Demokratische Kunstwochen?

Als Initiatoren haben wir den eingeladenen Künstlerinnen und Künstlern die Vorgabe gegeben, dass sie ein künstlerisches Projekt mit der Pfyner Bevölkerung entwickeln sollen - vertreten durch einzelne interessierte Privatpersonen, Vereine oder Institutionen - und dass diese Projekte *partizipatorischen* Charakter haben:
Die Pfyner sind also nicht nur ein potentielles Publikum für künstlerische Produkte, sondern beteiligen sich daran, sind Planende, Ausführende, Mitdenkende und Mitwirkende oder Weiterführende im künstlerischen Prozess.

Für eine solche Aufgabe müssen Künstler gewappnet sein, mit Erfahrung im Umgang mit Menschen, die aus einem 'Nicht-Kunst'-Kontext kommen und so in künstlerische Prozesse einbezogen werden. Es braucht Fingerspitzengefühl, Empathie und Offenheit - vor allem von den Künstlerinnen und Künstlern - Eigenschaften, die für uns ein sehr wichtiges Kriterium für die Auswahl der beteiligten Künstler waren (Offenheit braucht es auch vom Publikum, das allerdings den ersten Schritt schon durch die Bereitschaft zur Mitwirkung macht).

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Stefano W. Pasquini aus Bologna bei seiner Aktion am 1. August:
Der Künstler verliesst einen Text zu seinem Projekt und lädt die Pfynerinnen und Pfyner zum mitmachen.

Für die Künstler bedeutet das auch, ihr gewohntes System der Kunst - Atelier, Ausstellungsraum und Institutionen der Kunst - zu verlassen und in einem Kunst-fernen öffentlichen Raum zu arbeiten. Gleichzeitig heisst das auch, nicht 'nur' Künstler zu sein, sondern verschiedene Rollen einzunehmen und mal Initiator und Beteiligter, Animateur und Animierter, Regisseur und Beobachter, Leitender und sich leiten Lassender zu sein; was wiederum dazu führt, dass die Autorschaft an den künstlerischen Projekten nicht nur rein beim Künstler liegt, sondern multipel ist. Aus den Projekten entstehen keine reinen künstlerischen Produkte, die aus einer originären Idee des Künstlers / der Künstlerin geboren sind, sondern in einem sozialen Kontext geschaffene Gemeinschaftswerke.

Die Künstlerinnen und Künstler behalten jedoch eine Leitfunktion und haben Entscheidungsgewalt in ihren Projekten, denn auch in einem demokratischen Raum bedeutet die Schaffung eines Kunstwerks nicht den Ersatz des Künstlers durch eine bestimmende Menschenmasse und die alleinige Umsetzung von Massengeschmack; vielmehr sind die Künstlerinnen und Künstler kulturelle Experten, die - genau wie Juristen, BuchhalterInnen, Ärzte oder Automechaniker - ihre Arbeit in ihrem Spezialgebiet verrichten, ohne populistisch hinterfragt zu werden; im Gegenteil, sie müssen als Experten ernst genommen werden, weil sie mit ihren Projekten eine soziale Verantwortung übernehmen.

Der 2. Teil findet sich hier!

>> Dies ist ein Beitrag von Alex Meszmer und Reto Mueller

Alles zu Pfyn, der Kulturhauptstadt im kulturtv.ch

hier
Link zu den Künstlern mit Links zu den Künstlern: hier
Demokratische Kunst - ein Entwurf: hier
   

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