Bruno Schlatter teilt mit (Dienstag, 5.10.2010)
Doris Kittler und Robert Sommer
Kurzer Tag der der offenen Tür
Am Abend küsse ich zuerst den Wiener Boden: die Tramgeleise sind sehr glatt bei Regen, weshalb ich vom Radl stürze und wieder einmal meine exzellente Falltechnik aus Kunstturnertagen ausspielen kann. Habe Glück, dass mir niemand drein fährt. In der Innenstadt lerne ich die Wiener Polizei kennen, habe zuerst das Gefühl, es sei, weil mein Licht im Regen nicht geht, aber die überfreundliche Politesse klärt mich auf, dass ich in der Fussgängerzone bin und die nächsten 5 Meter zu Fuss gehen müsse.
Mein Weg führt ins Theater Nestroy (Carmen und Wolfgang sind auch da), wo uns der Untergrund begegnet. Nach einer typisch österreichischen Eingangsrede von winzigen 45 Minuten erwartet uns ein super Keller mit Kunst, die sich deutlich im Progress befindet (aber vermutlich trotz ihrer schwierigen Auffindbarkeit, diffizilen Kleinheit und voraussichtlich unerreichbaren Beendigung über ein grosses Budget verfügt). Der Finne Joonas Lahtinen liefert eine rund 40-minütige Performance, weil er Nathalie sucht, aber eigentlich gar keine Kinder von ihr will. Dann folgt der Kult Fritz Ostermayer (realisiere dann später, dass ich ihn schon mal als DJ im Rhiz erlebt habe), der – in grauem Anzug mit weissem Hemd – über Punk referiert: ‚Die Leichen sollen sich schleichen‘. Zwischendurch lerne ich den Bergwerksarbeiterstaat-Präsidenten kennen, der die historischen Vorläufer zelebriert, die dazumals in Kroatien schon einen freien Staat ausriefen und niedergemetzelt wurden. Werde die neue internationale Beziehung versuchen, diese Woche zu vertiefen!
Als dann brüchige Frauenstimmen die letzte Performance starten, lockt mich Kultschal ins Rhiz, das ich eh als Nachfolgeprogramm vorgemerkt hatte. Dort spielt Moebius aus Berlin – in St. Gallen geboren – seine Loops, Effekte und Maschinchen. Die nette Dame an der Kasse erkennt mich zwar, will aber trotzdem Eintritt, weil sich Presse per Mail anzumelden habe: Puhhh….: Wieso ist spontane Presse unerwünscht (Anmerk. der Redaktion: Das wird den Studenten eben an den Schulen so eingetrichtert – immer schön anmelden und die Veranstalter meinen, dass es so sein muss, weil es doch “da oben” so vermittelt wird). Der Moebius checkt worum es geht und wühlt eine CD aus der Tasche seiner Frau, die normalerweise eben das Verkaufsgeschäft regelt. Der Roedelius sei übrigens im Publikum gewesen. Kultschal könnte mir jeden einzelnen Namen nennen, der im Nestroy gewesen sei, als sie erfährt, dass der Ostermayer gelesen hat.
Den letzten Zweigelt gönn ich mir bei Jurek im Panigl, der frisch gebräunt und gut gelaunt von einer griechischen Insel kommt.
Am frühen Morgen gibt es den moebius, kram, 2009. Es zappelt und rappelt in der Kiste, eene meene moe und bius. Erquickliche Klänge werden zusamengeflickerlt und mit Filtern bearbeitet, dass es einen ans Herz rührt. Ein Altmeister der elektronischen Klangerzeugung ist frisch geblieben.
Um 10 Uhr treffe ich mich in der Augustin Redaktion mit Robert Sommer, (Chef)Redaktor des Augustin, Programmleiter im Aktionsradius, Stadtrat für Intergalaktische Beziehungen und Osterheiterung in der Augartenstadt. Er kann als Mitbegründer des Projektes berichten und weiss bestens Bescheid, wie eine Stadt einen Leerraum braucht, damit sich das Volk jederzeit erheben könnte, wird dann aber der Fragestellung nicht gerecht, ob dann die Augartenstadt diesen Leerraum vielleicht vergebens habe – mangels Bürger, Volk eben. Interessant die Idee, dass eine Stadt aus allen unterschiedlichen Elementen bestehen müsse und der Ansatz, das afrikanische Palaver anstelle des gängigen Justizsystems zu setzen.
In der zweiten Runde kehrt er den Spiess um und nimmt mich und die Noseländische Idee in den intellektuellen Schwitzkasten. Doris Kittler ist auch vor Ort, um zu filmen, wie ich filme. (Anmerk. der Redaktion: Ha, da macht ja jemand genau das, was ich auch liebe – Kompliment weiter geben!)
Anschliessend essen wir zusammen und ich treffe 2 Lehrerinnen – die besser anonym bleiben, angesichts der hier herrschenden Mentalität, dass Schulbesuche über den zentralen Chef zu bewilligen sind. Wir wollen den Tag der offenen Schul besuchen, stellen aber fest, dass wir um 15 Uhr – der nette Schüler, der uns Verirrte betreut, sagt es gnädig, ein paar Minuten zu spät sind. Der Tag der offenen Tür dauert von 8.00 – 10.00 Uhr, damit das werktätige Volk auch ja genug Zeit hat, sich einzufinden. Wir besuchen noch die Schule, wo die 2 Lehrerinnen arbeiten, dort hat offiziell gemäss Anschlag genau 1 Lehrsaal die Funktion der offenen Schule, ist aber um die Zeit leer. So nehme ich kurz Einblick ins Lehrerzimmer und ein Klassenbuch und wir diskutieren das eine oder andere Problem, das sich in unseren Schulsystemen stellt.
Nachher marschieren wir zum Naschmarkt um einen Hopfentee zu geniessen. Weil in der Ecke ein Grüner Abgeordneter fürs Europaparlament Volksnähe zeigt, politisieren wir über die Hintergründe, dass die Schweiz nicht in der EU ist und ob sie nun ein Schurkenstaat sei oder nicht.
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Underground City 21 Vienna
Doris Kittler
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