Mittwoch, 20. April 2011

Mein Tagebuch zu Vera Staub: Kinder lernen uns zuzuhören

Kinder bei Vera Staub

1972 brachte der RockStar Alice Cooper (gebürtig Vincent Damon Furnier) seinen grossen Hit „School's Out” auf den MusikMarkt. Ein Titel, der aus den Herzen der jungen Leute sprechen sollte – for ever out – die Schule ist zu Ende. Weg mit diesen ganzen Büchern und dem sonstigen Zeugs. Jetzt geht das Leben los, unser Leben.
Doch genau die Leute, die diesen Titel vorübergehend zu ihrem LebensInhalt gemacht haben, wurden später enttäuscht. Sie alle mussten nämlich feststellen, dass die Schule noch lange nicht fertig war. Das Gegenteil ist eingetreten. Die LebensSchule hat soeben begonnen und niemand hat’s so richtig bemerkt. Wir waren die Jugend. Wir waren die Gegenwart und die Zukunft, vereint. Wir wussten wo’s lang geht. Wir wussten einfach alles. Nur nicht, wo uns unser Weg hinführen würde.
1972, die Hippies waren verschwunden, die Revolution beendet, politische Grundlagen wurden zu wässrigen Erkenntnissen. Das Ende war näher, als manch einer von uns erkannte. Plötzlich musste man feststellen, dass Freunde verschwanden, auf Nimmerwiedersehen. Der DrogenTod zeigte seine wahres Gesicht, seine Macht.
„School's Out”? „Trau keinem über 30" – Religion ist Opium für’s Volk. Und dann war noch Mao Tse Tung:
„Mit dem Kapitalismus ist es das selbe wie beim Bodenwischen, wo der Besen nicht hinkommt, verschwindet der Dreck nicht”

Und plötzlich erwachten wir wieder. Wir waren 40 Jahre alt. Manch einer ging den Weg durch die Institutionen und vergass dabei die Revolution. Andere flüchteten in soziale Berufe und wieder andere wurden Politiker, oder einfach ganz normale BürgerInnen.

Zu Beginn habe ich den Grundtenor dieses Beitrags erwähnt – die Lebensschule. Eine Schule, die wir freiwillig besuchen können. Die, neutral beobachtet, keine Noten vergibt, keine Schelte verteilt. Doch oft wollen oder können wir sie nicht erkennen, weil wir selber diese Schule sind. Wir haben unzählige Wahlfächer und eines davon ist die Erziehung unserer Kinder.

Erziehung, wenn ich diesen leeren Begriff nur schon höre, rollen sich meine Fussnägel bis zum Bauchnabel hoch. Damit ist doch eigentlich nur die Anpassung an die eigenen Vorstellungen und die gesellschaftlichen Normen gemeint. Damit dann alles noch wissenschaftlich sich rechtfertigt, sprich mann/frau von Pädagogik.
Doch wo bleibt der Mensch, einfach nur d e r  M e n s c h?
Ich habe längst den Begriff Erziehung durch Begleitung, durch Hilfe, durch die Erschaffung eines Schutzraumes für Kinder und Jugendliche ersetzt. Zu oft musste ich schon beobachten, wie ErzieherInnen es nicht ertragen haben, dass ein Mensch vor ihnen stand, der vielleicht in der Zukunft viel mehr als er/sie selber Schaffen kann. Unsere Aufgabe als Eltern ist es, dieses Schaffen zu schützen, zu bewahren. Wir sind nichts anderes als Geburtshelfer. Und wer meint, er wäre mehr, irrt.

Gestern waren Schulkinder bei Vera Staub in ihrem KirchenAtelier zu Besuch. Ich spürte nichts von Belehrung, von Pädagogik, von Schulung. Die Kinder bekamen ein paar Informationen auf den Weg. That’s all. Dann begannen sie mit ihrer Arbeit, sprachen von Kunst und Kunstwerken, von Objekten, von Lego und dem Tod. Und wir hörten alle zu. Wir lernten zuzuhören, weil wir uns nicht als Erzieher gefühlt haben.
Vera Staub zeigte ihnen auf, dass Installationen vergängliche Kunst sein kann. Sie sind ganz kleine Punkt im Leben. Aber sind es nicht gerade die kleinen Punkte, die das Leben überhaupt lebenswert machen? Die einem weiter bringen? Vera hat die Möglichkeit zur Schaffung solcher Punkte geöffnet. Und ich bin sicher, dass sich in den nächsten Tagen der eine oder der andere Haushalt zum Objekt, zur Installation wandeln wird. „School's Out” – never!


Alles zu Vera Staub im kulturtv.ch –> hier
Das Programm zu „Biblionen“ von Vera Staub in Luzern –> hier


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