Rahel Grunder teilt mit:
Auf dem Kapellplatz steht der Fritschibrunnen. Das Wahrzeichen der Luzerner Fasnachtstradition. Und beliebtes Vorzeigebeispiel Luzerner Geschichte während Touristenführungen.
Es ist nämlich so, dass der Fritischi Vater im 15. Jahrhundert weit oben im Obernau zurückgezogen gelebt hat. Nur einmal jährlich, zur Fasnacht kam er mit der Fritschene, seiner Frau nach Luzern um in einem Spunten etwas trinken zu gehen. An jenem Abend spendierte der Fritschi Vater allen Leuten im Restaurant die Getränke. Aus dieser Erzählung entstand die Tradition des Orangenverteilens und der Zunft rund um den Fritischi Vater, die bis heute gross gefeiert wird.
Ungefähr so wurde mir die Sage des Fritschi Vaters im historischen Museum in Luzern erzählt.
Ob diese Geschichte den eingefleischten Fasnächtlerinnen wohl bekannt ist?
Heute, während dem Malen auf dem Kapellplatz erfuhr ich, mit einem Ohr zuhörend dann noch die erste Hälfte der Geschichte, das Wesentliche: Wie in Luzern die Fasnacht Einzug gehalten hatte.
Die Luzerner Obrigkeit hatte damals im Spätmittelalter Angst, es könne eine Revolution in Luzern ausbrechen. Um dies vorzubeugen, gewährte sie den Bürgerinnen einmal im Jahr während einer ganzen Woche die Narrenfreiheit.
Ich wurde etwas nachdenklich bei dieser simplen Erzählung, welche die Stadtführerin ihrer amerikanischen Touristengruppe vortrug. Hier wurde ein Bild vermittelt, das so gar nicht deckungsgleich mit dem Bild ist, das ich von Luzern habe.
Ich bin zwar ganz und gar keine Fasnächtlerin, spüre jedoch auch nicht wirklich eine Grosszügigkeit Seiten der „Luzerner Obrigkeit“ bezüglich Narrenfreiheit.
Besonders dort wo das Wahrzeichen der Fasnacht steht, in der Altstadt, gibt eine bestimmte Gruppe von Menschen den Ton an: Die Cityvereinigung.
Das Hauptziel dieses Vereins ist die Maximierung des Marktumsatzes. So wohnen der Vereinigung auch mit Vorlieben Geschäftsführerinnen von Manor, Globus und Gübelin bei.
„Willkommen in Luzern, der freundlichsten Einkaufsstadt der Welt!“ verspricht der Slogan ihrer Hompage. Ob die amerikanische Touristengruppe zum Stadtrundgang wohl auch so begrüsst wurde?
Was jedoch auf keinen Fall erwähnt wurde ist, dass in der Schweiz das Recht auf freie Meinungsäusserung und Demonstrationsrecht, im Fall Luzern aufs gröbste, beschnitten wird.
So ist es in Luzern kaum noch möglich während Ladenöffnungszeiten eine Demonstration durch die Innenstadt durchzuführen. Wird dies trotzdem gemacht (und das Schweizerische Gesetzbuch verankert unter anderem auch das Recht auf spontane Demonstrationen) muss mit dem Einschreiten der Polizei und Geldstrafen rechnen.
Demonstrationen in der Innenstadt schränken das Konsumverhalten der Passantinnen und dadurch den Umsatz ein. Verständlich ist deshalb, dass die Cityvereinigung und folglich auch die Stadtverwaltung alles daran setzt, dies zu verhindern.
Ein Hoch aufs Shopping – der einzigen verbleibenden Aktivität im öffentlichen Raum!
Ich setze einen Gegenpol, in dem ich meine Plakatstellwand genau neben dem Fritischibrunnen platziere. Nun werden die Touristinnen durch meine Malerei vom historischen Monument abgelenkt und hin und wieder stellen sie sich die Frage: „What about Streetart in Lucerne?“
Ich sehe diese Frage als Aussaat, die allmählich zu keimen beginnt. Selbst in Luzern kann der Frühling nicht aufgehalten werden. Ich freue mich auf den Sommer.
Rahel Grunder, 20. April 2011
Es geht weiter:
Donnerstag, 21. April 2011 – 11-15 Uhr Torbogen beim Bahnhof Luzern
Weitere Infos zum heutigen Tag –> hier
Alles zu Rahel Grunder im kulturtv.ch –> hier
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