Donnerstag, 14. April 2011

Rahel Grunder: Netzwerke im Komopstorganismus

Rahel Grunder teilt mit:
netzwerk
Naturschutzgebiet im Jura, 2009 – Foto: Rahel Grunder
„Kennst du schon Rahel Grunder? Sie hat ein spannendes Abschlussprojekt am laufen und ist total gut vernetzt!“, stellte mich meine Theoriedozentin heute einer Studentin des Masterstudiengangs Master of Arts in Public Spheres vor.
Nach eineinhalb Stunden Diskussion über den Begriff „Public Spheres“ – öffentlicher Raum kam mir kein Smalltalk mehr in den Sinn.
Mein Argument: Öffentlicher Raum bedeutet offener Raum und ein offener Raum ist nur offen, wird er nicht durch Verhaltensvorschriften und Regeln eingeschränkt, ansonsten handelt es sich nicht mehr um „den“ öffentlichen Raum, sondern um kontrollierten öffentlichen Raum, halböffentlichen oder Privatraum.
Ihr Argument: Von so einer absoluten Definition kannst du nicht ausgehen. Denn solchen Raum gibt es schlicht weg nicht, hat es nie gegeben. Überall herrschen Regeln und Vorschriften, das war schon immer so. Wir leben innerhalb eines westlichen Rechtsstaates und es gibt verschiedene Formen von öffentlichem Raum. Viel interessanter ist jedoch zu beobachten welche Arten von Aktivitäten im öffentlichen Raum ausgeübt werden.
„Nichts, eben wird nichts mehr aktiv im öffentlichen Raum getan. Ausser shoppen vielleicht noch und joggen, doch selbst dies unterliegt einem Modediktat unserer Gesellschaft und klammert eigenständiges Denken aus.“
Und so wird der öffentliche Raum allmählich von den Regeln und Vorschriften, was denn hier oder da getan werden muss oder nicht, verschluckt, zerkaut und ausgespuckt. Was dabei rauskommt sind Räume, die optisch und physisch clean und hermetisch abgegrenzt sind und somit alles „nicht Erwünschte“ per se ausklammern.
In einer Betonwüste umherirrend steigt mir der Geruch von vergammelnden Müllsäcken in die Nase. Es ist April und viel zu heiss.
Gerade in diesem Moment wird auf dem Emmiareal die Butterzentrale abgerissen und ein neuer Wohnkomplex soll das klaffende Loch zieren.
Ich bin hier nicht in Luzern, der Kulturstadt. Ich bin in der Tribschenstadt, der Wohnoase für den mehrbesseren Luzerner Mittelstand. Getrennt durch die Langensandbrücke ist sie neben der Alt- und Neustadt der dritte Stadtteil und macht die Luzerner Stadtregierung unheimlich stolz. Das ehemalige Industriegebiet soll nun die Endlösung im Kampf gegen die Wohnungsnot sein. Momentan sind diverse Kulturhäuser wie zum Beispiel das La Fourmi, das Frigorex, der Theaterpavillon und der Jugendkulturtreffpunkt Treibhaus sowie das Konzerthaus Schüür in diesem Quartier beheimatet. Sie waren es, die neues Leben in diesen Stadtteil gebracht haben.
Mir kommt das Bild eines Komposts in den Sinn, wobei mir der Geruch nach Verwesung nicht ganz unpassend erscheint.
Ein ehemaliges Industriegebiet, ein „ausgelaugter“ Boden, ein altes Gebäude, leerstehend, ausgedient. Ist wirtschaftlich nicht interessant, denn in diesem Stadtteil gibt es nichts ausser den Strassenstrich und Tankstellen. Nicht mal die Aussicht ist bemerkenswert.
Kaum wird diese tote Hülle weggeworfen, kommen erste Insekten, Würmer und Kriecher und ernähren sich von dem verbliebenen Zellstoff und den Fasern. Es geschieht eine Umwandlung und eine Wiederbelebung. Etwas Neues entsteht und lockt Sommervögel, Bienen und Igel an. Aus Samen, herangetragen von fernen Ostwinden, spriessen Wildblumen und Gräser.
Die Luft ist erfüllt von emsigem Gebrumme und erfrischenden Düften.
Ein Ökosystem entsteht und neuer Humus wird produziert.
Das macht auch die grösseren Tiere neugierig. Wild, Greifvögel, Raubtiere und schliesslich sogar Elefanten. Sie wittern Beute und setzen zum Sprung an.
So sehe ich die Entwicklung, von der Entstehung eines Kulturzentrums bis zu seiner Auflösung.
Die grossen Tiere, also Bauverwaltung, Privatinvestoren, Stadtverwaltung wollen möglichst viel Profit aus diesem Ort schlagen, denn die Verwandlung, die Kompostierung hat ganz neue spannende Aspekte dieses Ortes entstehen lassen. Flügel sind zum fliegen da und deshalb müssen die kleineren Tiere, die wendiger und flinker sind weiter ziehen. Dies tun sie auch immer, denn anderenfalls werden sie zertrampt.
Ich denke es wird unterschätzt, welchen Stellenwert die Kultur in unserer Städteplanung trägt, denn ich bin der Meinung, dass sie einen wesentlichen Beitrag zur Fruchtbarkeit unseres Stadtraumes beiträgt. Ohne kulturelle „Vorbearbeitung“ und „Aufwertung“ gewisser Zonen kann kein frischer Humus für die Grundlage neuer Stadtviertel gebildet werden.
Ob die Kulturlandschaft der Stadt Luzern weiterhin bereit ist, diese Aufgabe so selbstlos zu übernehmen ist fraglich!
Rahel Grunder, 13.4.2011


... und so geht es weiter, im “Öffentlichen Raum”:
Montag, 18. April 10 - 16 Uhr Falkenplatz
Dienstag, 19. April 10 - 16 Uhr Bushaltestelle Kantonalbank
Mittwoch, 20. April 10 - 16 Uhr Kapellplatz
Donnerstag, 21. April 10 - 16 Uhr Torbogen ***

*** zu diesem Tag wird es noch eine gesonderte Einladung geben. Merkt euch jedoch diesen Tag schon mal ganz besonders vor.

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