Freitag, 22. April 2011

Rahel Grunder: 13. Tag - Das Jagen ist mehr so ein Hobby

Rahel Grunder teilt mit:

Ich bewege mich in einem Dreieck zwischen Malen und Fortschritte machen in meiner Technik, Leute unterhalten, mein Umfeld beobachten und den permanenten Geräuscheteppich von Strassenlärm, Gesprächen, Handyklingeltönen und anderen Signalen wahrnehmen.
Ich befinde mich in einer Extremsituation im öffentlichen Raum. Alles ist extrovertiert und unpersönlich. Beim Malen bin ich in einer anderen Welt. Ich befinde mich irgendwo in mir drin und schau hinein. Ich sehe Farbkombinationen, Flecken, Striche, Flächen, Schattierungen und Rinnsale. Malen ist bei mir ein klarer Ablauf: Ich beginne mit Komposition von Farben und Flächen. Dann setzte ich Linien und „trenne“ Farben. In einer dritten Phase arbeite ich mit transparenten Schichtungen, um Volumen und Schattierungen zu kriegen. Zuletzt „modelliere“ ich einzelne Elemente im Bild.
Diese Innen-Aussen-Situation ist ein totales Spannungsmoment, das möglicherweise auch der Grund ist, warum meine Malaktion auf viele Leute irritierend wirkt.
Ich bin vertieft, in einer sehr intimen Auseinandersetzung mit meiner Malerei und dies im öffentlichen Raum. Es hat etwas Exhibitionistisches. Und dadurch wird es sehr provokativ, denn normalerweise stellt man ja nur beendete Kunstwerke aus.

Mit Pinsel und Farbe taste ich mich auf meinem Papierträger vorwärts. Die Sonne trocknet die Farbe schnell aus und meine Augen flackern.
„Kann ich dir etwas zu trinken anbieten?“ – „Kann ich DIR was zu trinken anbieten? Und Popcorn hats auch und setzt euch doch hin.“ Es ist viel zu heiss. Die meisten Besucherinnen meiner Performance suchen nach einer Viertelstunde den Schatten auf.

Viele Gespräche - eine Zusammenfassung:
Tim lernte zum zweiten Mal laufen. Er hat im Flugzeug nach Rom verschlafen und ist über das Himalayagebirge geflogen. Viele Inder malen Landschaften. In der Schweiz verkauft es sich nicht leicht. Bewilligungen sind eine langwierige Sache. Super Idee. Ich habe Mitleid mit den Füchsen.
Der gemalte Fuchs sieht nicht so tot aus, wie der auf der Vorlagefotografie.
Sind sie offiziell hier? Aber das kommt dann wieder weg, ja? Wie lange ist der schon tot?
Ich komme in einer Weile wieder, wenn man mehr sieht. Katja kauft ein Ticket nach Prag und teilt Lars mit, dass beim Torbogen tote Füchse sind, das freut ihn sicher.
Peter hat auch schon jede Menge Füchse ausgenommen. Aber essen mag er sie nicht. Das Jagen ist mehr so ein Hobby.
Zwei junge Hannoveraner, ein Pärchen, sind froh wieder nachhause zu dürfen. Sie hätten sich die ganze Zeit mit ihrem Opa gestritten, der in die Schweiz ausgewandert sei, weil hier alles so viel freier und sicherer sei als in Deutschland.
Man sollte doch jetzt noch Kontaktdaten austauschen. Leider habe ich kein Facebook.

Ich verlasse diesen prominenten Ort, packe meinen Wagen und ziehe mich zurück in mein Atelier, mein Untersuchungslabor, mein Auswertungsbüro. Jetzt brauche ich eine Pause vom öffentlichen Raum. Zumindest was das Malen anbelangt und wechsle vom handelnden in den beobachtenden Modus. Es muss sich alles etwas setzen. Ich träume auch schon vom Malen, wo soll denn das noch hinführen?

Rahel Grunder, 21. April 2011


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